STT Champion Christopher Gerhard im Gespräch

“Ohne mein Top-Team hätte ich es sicher nicht geschafft”.

Drei STT Gesamtsiege, neun Klassensiege, viermal auf Pole und die meisten Kilometer zurückgelegt, die Bilanz spricht allein für sich. Kein Wunder also, dass Christopher Gerhard in seiner ersten vollen STT Saison den Titel mit nach Hause nahm. Im Porsche 997 Cup erlaubte sich der Viersener keine Fehler und machte die Meisterschaft beim Finale in der Eifel noch vor dem zweiten Rennen perfekt. Im Interview lässt der STT Meister die Saison und seine Karriere Revue passieren.


Holzer:
2009 geht ein erfolgreiches Jahr für dich zu Ende. Was bedeutet dir der Titelgewinn in deinem ersten Jahr in der Spezial-Tourenwagen-Trophy?

Gerhard:
Einen Titel zu gewinnen ist immer ein tolle Sache, denn es bemühen sich stets viele Fahrer/Teams um einen solchen, aber es kann nur einen geben und wenn man dann der Fahrer/das Team ist, zeugt es davon, dass man einen ziemlich guten Job gemacht hat.

Holzer:
Wie siehst du die Saison im Rückblick?

Gerhard:
Die Saison war ziemlich makellos. Man muss ja hauptsächlich seine Klasse betrachten und da bin ich 7 von 10 Mal auf Pole gefahren und habe 9 von 10 Rennen als Erster beendet. Schön war natürlich, dass wir auch 4 Gesamtpoles fahren konnten sowie 3 Gesamtsiege. Aber ohne mein Top-Team hätte ich es sicher nicht geschafft. Daher nochmals „Danke“ an alle Teammitglieder.

Holzer:
Du hast die Führung in der Meisterschaft nach dem fünften Lauf in Assen übernommen. Durch den Ausfall von Daniel Schrey hattest du schon vor dem Finale einen relativ komfortablen Punktevorsprung. Ab wann warst du dir sicher, dass du den Titel in der Tasche hast?

Gerhard:
Als ich am Ende des ersten Laufes beim Saisonfinale am Nürburgring über die Ziellinie gefahren bin, denn ab da stand es fest. Bis dahin kann alles passieren. Es gibt nichts, was es nicht schon gegeben hat. Daher wäre es völlig unsinnig, sich vorher sicher zu sein.

Holzer:
Mit Christian Ott war ein Frontrunner aus dem Porsche Sports Cup in der STT am Start. Dazu kam mit Ulrich Becker ein weiterer Fahrer, der über die Saison an Speed zugelegt hat. Die Gaststarter spielten bei ihren Auftritten ebenfalls eine gute Rolle. Wie bewertest du das Niveau deiner Klasse?

Gerhard:
Beim ersten Lauf in der Saison 2009 hatten wir 7 Cup-Autos am Start. Ich konnte beide Läufe gewinnen. Im Laufe der Saison waren dann in der Cup-Klasse kaum Gaststarter am Start, so dass wir eine kleine, allerdings sehr hart umkämpfte Klasse waren. Bezeichnenderweise ist Christian Ott eine Woche vor dem STT-Saisonfinale am Nürburgring in Hockenheim beim Saisonfinale des Porsche Super Sports Cup bei 20 997 Cup-Autos 2x Sieger geworden. Dennoch konnte ich ihn beim Saisonfinale in beiden Läufen hinter mir lassen. Ulrich Becker, auch immer sehr schnell unterwegs, hatte sicher einen schwierigeren Stand, zumal sich bei ihm ein technisches Problem eingeschlichen hatte, welches erst nach Saisonende ausgemerzt wurde. Schön wäre, wenn immer mindestens 5, besser 10 Autos am Start wären, ganz so, wie es am Lausitzring war.

Holzer:
Du bist lange sehr erfolgreich in der Langstreckenmeisterschaft gefahren. Was hat dich zum Umstieg in die STT bewogen?

Gerhard:
Wenn man als Team in der Langstreckenmeisterschaft antritt, ist man als kleines Team immer auf sponsorenunterstützte Fahrer angewiesen. Ich möchte aber in erster Linie erfolgreich Rennsport treiben und nicht die Hälfte meiner „Rennsportzeit“ damit verbringen, mit Leuten über Budgets zu verhandeln.

Holzer:
Das eine sind Sprintrennen, das andere Langstreckenrennen. Kann man die beiden Serien dennoch vergleichen? Was macht den jeweiligen Reiz der Serien aus?

Gerhard:
Die Serien kann man vom Zeitaufwand ungefähr vergleichen. Die STT findet 6x im Jahr statt, zum Teil aber 3 Tage pro Rennwochenende. Die VLN 10x 2 Tage. Die VLN hat den Reiz, dass sie einfach die tollste Rennstrecke der Welt hat. Die STT hat den Reiz, dass man bei Sprintrennen das Auto so richtig „ausquetschen“ kann und auch jeden Zentimeter der Strecke nutzen kann, was in der VLN aufgrund der Vielzahl der Überholmanöver so nicht möglich ist.

Holzer:
Du bist relativ spät in den Rundstreckensport gekommen. Wie kam es zum Einstieg in den Motorsport?

Gerhard:
Ich bin kurz nach Erwerb des Führerscheins regelmäßiger Gast bei den Touristenfahrten auf der Nordschleife gewesen. Seinerzeit mit einem Golf I GTI. Da ich aber aus keiner Motorsportfamilie komme und keine entsprechenden Kontakte hatte, bin ich erst 1997 zum 2-Takt-Kartfahren gekommen und von da dann im Jahre 2000 zur VLN auf die Nordschleife.

Holzer:
Du hast in der Karriere einige tolle Fahrzeuge wie die Dodge Viper oder den V8 STAR bewegen dürfen. Was war dein Lieblingsfahrzeug?

Gerhard:
Der 997 Cup Porsche ist ein super Auto. Neutral betrachtet ist es ja eigentlich ein Auto „von der Stange“ mit einer dafür fast unglaublichen Performance. Zudem ist der Wagen extrem zuverlässig: Wir hatten, sicher auch Dank der guten Vorbereitung und Dank des super Teams, keinen einzigen technischen Ausfall, weder im Qualifying noch im Rennen. Natürlich ist ein 997 Cup Auto nicht besonders spektakulär. Da waren Dodge Viper und V8Star schon andere Kaliber. Der V8Star hat mir im Übrigen ganz besonders gut gelegen, dennoch würden beide Autos für mich persönlich in der Beliebtheitsskala auf einer Stufe stehen.

Holzer:
Welches andere Auto würdest du gerne einmal auf der Rennstrecke fahren?

Gerhard:
Am liebsten einen topaufgebauten V8Star mit 800 PS.

Holzer:
Du hast in 2008 Dein eigenes Team gegründet. Was war in den letzten zwei Jahren deine peinlichste Situation?

Gerhard:
Das mit Abstand peinlichste war ca. im April oder Mai 2008. Irgendwie hatten wir beim VLN-Qualifying nicht auf dem Zettel, uns rechtzeitig um neue Regenreifen zu kümmern. Ich stand dann als Fahrer mit über 1 Jahr alten Regenreifen der 2007er Mischung in der ersten Reihe der Boxengasse und fuhr auch als Erster auf die Nordschleifen-Runde, als das Qualifying freigegeben wurde. Im Bereich Flugplatz kamen dann 2 andere Cup-Autos hinter mir mit (wie ich vorher im Vorstart gesehen hatte) aktuellen Regenreifen und einer neuen, weicheren und sehr viel schnelleren Mischung und musste zusehen, wie die an mir vorbeiflogen. Die Aktion war doppelt peinlich, weil ich nicht nur als Fahrer auf dem Zeitmonitor als Loser da stand, sondern weil ich als Teamchef auch im Vorfeld versäumt hatte, dem Thema Regenreifen an diesem Wochenende die nötige Bedeutung beizumessen.

Holzer:
Was war die erfolgreichste Aktion in den letzten zwei Jahren?

Gerhard:
Schwer zu sagen. Da gab es viele tolle Dinge, wie verschiedene Poles in allerletzte Sekunde, aber am besten war wahrscheinlich der Lauf 1 beim Saisonfinale am Nürburgring zum Meistertitel der STT. Mir hätte ein 3. Platz genügt, aber ich konnte beim Start nicht nur die Klassenpole verteidigen, ich konnte sogar die erste Position des ganzen Feldes einnehmen und diese bis ins Ziel verteidigen, so dass ich mit Überqueren der Ziellinie feiern konnte: Klassensieg, Gesamtsieg, Meistertitel.

Holzer:
Du hast dich bereits für die STT Saison 2010 eingeschrieben. Was planst du für die kommende Saison?

Gerhard:
In 2010 werde ich mit ziemlicher Sicherheit wieder STT fahren. Da ich aber neben dem Rennsport noch aktiver Zehnkämpfer (Altersklasse M40) bin, könnte es bei Terminkollisionen eventuell sein, dass ich doch noch auf eine andere Serie ausweichen muss. Denn anders als bei den Rennserien (man kann ja die Rennserien wechseln) kann ich natürlich keine Meisterschaften wechseln. Es gibt eben nur eine Deutsche Meisterschaft, eine Deutsche Mehrkampf-Meisterschaft, usw. Wenn es dabei bleiben kann, dass wir STT fahren, werden wir versuchen, unsere Startnummer 1 erfolgreich zu verteidigen. Das wird natürlich sehr schwer. Es muss halt alles zusammenpassen: Man muss immer den optimalen Rennspeed haben, alle Qualifyings vernünftig hinbringen, keine taktischen Fehlentscheidungen treffen und auch keine technischen Defekte haben. Den Titel 2009, nach meinem Renault Clio VLN Titel, den ich 2003 zusammen mit Dirk Riebensahm gewonnen habe, kann mir keiner mehr nehmen.

Holzer:
Da gegen Jahresende meist Wünsche frei sind, was wären deine für das kommende Jahr?

Gerhard:
Als erstes einmal Gesundheit für meine Familie und mich, sowie für meine Teamkollegen und Freunde. Der Rest wird sich dann finden.

Interview: Patrick Holzer